Das Werk 38 der Landauer Festung und das Massengrab

Es ist eine Premiere. Nachdem mit dem Turm der Lunette 41 ein Teil eines Festungswerks ausgegraben wurde – und dazu ein fast einzigartiges – wird nun zum ersten Mal in Landau ein nahezu komplettes Festungswerk wissenschaftlich-archäologisch ausgegraben und nach modernsten Standards dokumentiert. Die Generaldirektion Kulturelles Erbe des Landes Rheinland-Pfalz – Direktion Landesarchäologie – führt die Grabung unter Leitung von Dr. Andrea Zeeb-Lanz durch. Eine besondere Überraschung bot sich den Archäologen völlig unverhofft, wie Paul Scherrer, Grabungstechniker der GDKE und Frank Krämer, Archäologe, berichten: Hinter dem Werk, vermutlich in einem verfüllten Graben, entdeckten sie ein Massengrab mit bisher noch unklarer Zahl von Skeletten, die mit großer Wahrscheinlichkeit in Verbindung mit der Erstürmung des Werkes 38 am 12. Juli 1713 stehen. Es ist somit das erste Mal in Landau, dass stumme Zeugen der Vergangenheit einem historischen Ereignis aus der Festungszeit zugeordnet und durch die archäologische Untersuchung zum Sprechen gebracht werden können und somit dazu beitragen die Geschichte Landaus zur Zeit des Spanischen Erbfolgekriegs zu erhellen.

Ausgrabung Lunette 38 der Festung Landau

Die Ausgrabung an der Lunette 38

Sobald den Landesarchäologen alle Daten des Werkes, welches sich an der Ecke Cornichonstraße/ Hartmannstraße auf dem Gelände des zukünftigen „Wohnpark Am Ebenberg“ befindet, vorliegen,  wird gemeinsam mit der Stadtverwaltung und dem Investor definiert, welche Teile vom Bau der Tiefgaragen betroffen sind. Im Gespräch muss dann geklärt werden, welche Teile zerstört und welche nur überbaut werden, welche Teile weichen müssen und welche erhalten bleiben können. Der Festungsbauverein Landau setzt sich satzungsgemäß für den Erhalt der Festungsbauten und ihrer Reste ein. Beim Werk 38 nicht zuletzt, weil das große, 2,5 km lange südliche Tunnelsystem in Richtung Galgenschanze daran vorbeiläuft.

Da die Stadt auf die Einnahmen aus dem Verkauf des Grundstücks im Rahmen der Konversionsmaßnahme angewiesen ist, plädiert der Verein für eine Integration der Funde und ggf. ein Anheben des Tiefgaragenniveaus. „Der Vorstand des Vereins wird seinerseits in den nächsten Tagen das Gespräch mit Stadtverwaltung, GDKE und Investor suchen, um noch einmal auf die Bedeutung der Anlage und die Wichtigkeit des Erhalts hinzuweisen“ so die Vereinsvorsitzende Juliane Letz. „Rechtlich gesehen entscheiden die Denkmalbehörden über Erhalt oder Abbruch, und es geht natürlich erst einmal um Investitionssicherung für Stadtverwaltung und Investor, aber mit dem entsprechenden Engagement aller Beteiligten sollte es eine Lösung geben, die darüber hinaus geht. Am Ende wäre „Quartier No.38“ mit sichtbaren Mauerresten wohl noch werbewirksamer“ so Letz in Anspielung auf den vom Investor gewählten Fantasienamen „Le Quartier No.1“.

Führungen am Sonntag, 29.6.

Im Rahmen der Landesgartenschau-Veranstaltung „Picknick im Grünen“ werden am Sonntag, 29.6.2014 Führungen durch die freigelegte Anlage der „Lunette 38“ angeboten. Start ist jeweils um 15 Uhr und um 17 Uhr vor der Geschäftsstelle der Landesgartenschau. Bei großer Nachfrage werden zusätzliche Führungen angeboten.

 

Hintergrundinfos zur Ausgrabung Lunette 38

Obwohl die Überreste der ehemals stolzen Landauer Festung regelmäßig in kleineren Baugruben bei Tiefbauarbeiten zu Tage treten, gab es bisher keine günstige Gelegenheit eine längere archäologische Kampagne durchzuführen. Beim Werk 38, das unmittelbar neben dem Gelände der Landesgartenschau liegt, sind die Voraussetzungen gegeben. Aufgrund der Baumaßnahmen („LeQuartierNo.1“) in diesem Bereich des Konversionsgeländes und dem Abbruch von ehemaligen Kasernengebäuden ist es

Wegweiser im Wehrgang des Werks 38 der Festung Landau

Wegweiser im Wehrgang des Werks 38

notwendig und möglich, das 1711 erbaute und nahezu komplett erhaltene Werk freizulegen und zu dokumentieren. Da das Werk 38, das als eine Reaktion auf die erfolgreiche Belagerung 1704 der kaiserlichen Truppen erbaut wurde, eine wichtige Rolle bei der Belagerung und Erstürmung im Jahr 1713 spielte, kann hier mit neuen interessanten Erkenntnissen zur Festung Landau gerechnet werden: Bisher zeigte sich, dass die Hauptmauer des Werkes solider und dicker gebaut ist als bisher vermutet. Auch Hinweise darauf, wo das Werk bei der Belagerung 1713 beschädigt und wie es nach der Übergabe der Festung durch die Franzosen wieder aufgebaut wurde, sind zu erwarten.

Hintergrundinfos zur Festungsstadt Landau

Vor bald 100 Jahren hat die damalige Stadtverwaltung den letzten erhaltenen, längst denkmalgeschützten Teil der Hauptmauer nahe des Galeerenturms abgebrochen, um Volksschule und Beamtenwohnungen an der Pestalozzistraße zu errichten. Erhalten sind neben dem Fort heute nur noch Reste, viele verschüttet und überbaut, nichts destotrotz eindrucksvolles Zeugnis der gewaltigen Festung, wenn sie einmal freiliegen.

Die Lunetten

Nach den ersten Belagerungen war klar, dass die Hauptfestung durch weitere Werke gegen Beschuss von den umliegenden Hügeln gesichert werden mußte. Auf dem Kaffenberg im Norden entstand ab 1702 das große „Fort“, auf der Anhöhe daneben das Nussdorfer „Schänzel“ (heute das Wohnheim an der Ampel Ecke Godramsteiner Straße/Neustadter Straße).

Im Süden und Südwesten entstand in Richtung Impflinger Höhe und Ebenberg ein neuer Ring von Vorwerken, den sogenannten Lunetten, die sich vom Hafen am Werk 44 (An 44) über den Westbahnhof (Lunette 43), Goethepark (Lunette 42), Goethe- und Savoyenpark (Lunette 41) und die Südstadt hinziehen. (Werke 37-40). Die Tunnelanlage der Lunette 41 läuft auf den Pockensatz zur ehemaligen Eugensschanze (Am Pockensatz), Lunette 38 hingegen war Bindeglied zum Galgenschanze oder Cornichon genannten Werk 39, dass heute unter der Dagobert-/Eutzingerstraße liegt und verhinderte, dass feindliche Kanonen auf dem Ebenberg zu stehen kamen.

 

Der Festungsbauverein Landau

Der junge Verein hat inzwischen fast 350 Mitglieder und wächst stetig weiter. „Die Festung liegt den Landauern sichtbar am Herzen“, so Archäologe Frank Krämer, der selbst Landauer ist. Das Integrieren der Festungsreste in Neubauprojekte, aber auch Offenlegung und Pflege sind nach Aussage des Vereins wichtig für die Identifikation der Bürger mit der Stadt. Auch für den Tourismus ist diese Imagepflege wertvoll: Seit der Verein seine Arbeit begonnen hat, haben sich die Zahlen der geführten Personen durchs Fort vervielfacht, neu dazugekommen sind die Führungen durch die Lunette 41. Das bundesweite Medien-Interesse im Zuge der Ausgrabung im Savoyenpark hat seit vergangenem Jahr viele Besucher nach Landau gelockt. „Und die gehen natürlich dann noch einen Kaffee trinken, etwas Essen oder ein bisschen Shoppen.“ so die Vereinsvorsitzende Juliane Letz. „Germersheim, Saarlouis, Philippsburg haben zum Teil weniger zu zeigen und machen doch mehr draus. – Da müssen wir aufholen.“

Führungen Lunette 41 am 28.6., 05.07.

Nach längeren Räumarbeiten führt der Festungsbauverein seit vergangenen Samstag auch wieder durch die Tunnelanlage der Lunette 41 und erläutert den Stand der Ausgrabung und die geplanten Arbeiten. Führungen sind regelmäßig samstags. Die nächsten Termine sind am 28.6.2014 und 5.07.14, jeweils 10.00, 11.30 und 13.00 Uhr. Anmeldung und Termine über das Büro für Tourismus, Tel. 13-8302 oder touristinfo@landau.de.

Landau, 25.06.2014

 

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3 Antworten zu Das Werk 38 der Landauer Festung und das Massengrab

  1. Thomas Klein sagt:

    Guten Morgen,

    mir wurde vor kurzem Erzählt das „im Bereich des ehemaligen Rangierbahnhofs“ Ausgrabungen vorgenommen werden. Handelt es sich dabei um die Bastion 38 oder gibt es noch andere Ausgrabungen?
    Schöne Grüße, Thomas Klein

    • brbl sagt:

      Hallo Herr Klein, in diesem Bereich gibt es derzeit keine Ausgrabung und auch unseres Wissens keine diesbezüglichen Planungen. Mit „Bastion 38“ ist wohl die „Lunette 38“ gemeint, die es ja jetzt eigentlich auch nicht mehr gibt…

  2. Gerhard Huber sagt:

    Der oben genannte Tunnel bei Werk 38 in südl. Richtung war früher vom Keller der Anwesen Eberle und Bolleyer zu begehen und wurden auch als Zusatzkeller genutzt,
    daher auch die Agrenzungsmauern in diesem Bereich des Tunnels.
    Der Tunnel führt im Bereich der Holzbrücke über die Bahnschiene unter dieser hindurch, dort wurde auch die Kanalisation zur Ile de Sud verlegt, dabei musste der Tunnel in diesem Bereich teilweise abgebaut werden.
    Durch den schräg zur Kanalisation verlaufenden Tunnel zur Baugrube stürtzte diese trotz Abstützung ein und begrub den Amateurboxer Müller, der nur noch tot geborgen werden konnte.

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